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Wolde, den 5. Nov. 1869.

Meine herzlieben Kinder!

Wie wenig danken wir doch dem Herrn, wenn Er uns mit dem Stabe sanft weidet und wir auf sonniger Au einen Tag nach dem anderen von Ihm dahingeführt werden! Daher muß Er uns von Zeit zu Zeit mit dem Stabe Wehe kommen, um uns daran zu erinnern, daß wir ein elendes Gemächte ohne Ihn sind, und das hat Er auch in diesen Tagen an uns thun müssen. Ernst u. gewaltig hat Er zu uns geredet, so daß wir bis in den innersten Grund unseres Herzens erschüttert worden sind. Heute vor 8 Tagen klagte am Abend vor dem Schlafengehen unsere kleine liebe Alla (Anmerkung des Herausgebers: Tochter ...) über Halsschmerzen. Es wurde ein Senfpflaster um den Hals gelegt, worauf sie schlafen ging. Am anderen Morgen (Donnerstag) erwachte sie mit häufigem Erbrechen u. Fieber. Sie blieb natürlich im Bette. Am Abend desselben Tages, mehr noch am Freitage trat ein rother Ausschlag an den Händen und Armen hervor, so daß wir den Scharlach befürchteten. Wir schickten nach dem Arzte, der am Sonnabend mit Jeanettes ?, Anmerkung des Herausgebers) herauskam u. unsere Befürchtungen bestätigte. Freitag u. namentlich Sonnabend traten häufige Fieberphantasien ein. Nachdem der Arzt Nacht u. Tag um die Kranke war u. mit größter Sorgfalt u. Treue sie behandelt, uns ausführliche Vorschriften schriftlich hinterlassen, verließ er uns Sonntag Vormittag um 10 Uhr in der besten Hoffnung, daß die Krankheit keinen gefährlichen Verlauf nehmen würde. Am Sonntag Abend wurde die Kleine aber schlechter u. wir schickten wieder nach den Arzt, der dann auch am Montag Vormittag wieder hier war. Der Zustand hatte sich aber bedeutend verschlimmert, eine Halsdrüsengeschwulst sich bedeutend erweitert, und das Schlucken war kaum mehr möglich, das Kindchen lag fast nur noch bewußtlos u. wimmerte u. stöhnte nur ununterbrochen, bis der Herr sie Montag Abend um 5 Uhr erlöste. Gethan ist Alles, was Menschen nur zu thun vermögen. Die Krankheit nahm aber einen so rapiden Verlauf, daß alle menschliche Kunst zu Schanden wurde! Das Schäflein ist jetzt daheim bei seinem Hirten u. auf ewig geborgen. Während wir hier im Thränenthal noch stündlich mit der Sünde zu kampfen haben, steht unser Herzenskind jetzt als Siegerin vor dem, der dies durch sein Herzblut sich erkauft. Unsere Herzen aber sind zerriscen und bluten. Wir haben unser herziges Allachen so lieb gehabt, aber der Herr Jesus hat es noch lieber. Oede scheint uns jetzt unser Haus geworden, da wir das fröhliche Gezwitscher dieses lieblichen Vögeleins nicht mehr vernehmen. Die kleine Leiche liegt im Kinderscchlafzimmer auf dem Sopha unter einem Baldachin von weißen Gazegardinen, von grünen Kränzen umgeben u. der Friede Gottes strahlt auf ihrem bleichen Angesicht. Morgen Abend wollen wir sie einsargen u. Freitag, den 7. d. M., an der seligen Mutter Geburtstag, um 3 Uhr nachmittags wollen wir sie zur letzten Ruhestätte geleiten, wohin sie getragen werden soll. Zur Beerdigung wird fast Niemand kommen außer Lilly Buxhövden u. hoffentlich auch STeinmann mit seinem Bruder. Die Furcht vor Ansteckung hält die Leute alle fern. Die Geschwister aus der Stadt dürfen nicht kommen, weil Dr. Hartmann, der behandelnde Arzt, ihnen abgeraten hat und die Cölluschen noch viel weniger, die die nach dem Befinden der Kranken sich erkundigende Magd nicht einmal ins Haus kommen ließen, ich mußte draußen darüber berichten. So werden wir also ziemlich allein sein und nur der Sängerchor u. vielleicht einige von Allas Kameradinnen.
Mein armes Christelchen hat sich durch ununterbrochenes Nachtwachen während der Krankheit recht heruntergebracht. Sie war so angegriffen, fast stimmlos, hatte Stiche im Rücken, daß der Arzt in sie drang, gleich nachdem das Kindchen verschieden, sich zu Bett zu legen u. ihr einiges verordnete. Er fürchtete, daß am Ende der Scharlach auch bei ihr im Anzuge sein könnte. Doch dem Herrn sei Dank, es geht wieder besseru. sie ist wieder aufgestanden. Still u. stumm und unter Thränen sitzen die beiden armen Mädchen (Anmerkung des Herausgebers: Adelheid und Christel) u. nähen, was zu nähen ist für die kleine Leiche. Heute ist die Tina zur Hülfe genommen bei einem Trauerkleid, das Christel sich anfertigt.
Soweit für diesmal. Euren lieben Brief erhielten wir gestern Abend mit der Einlage von Hans, über welche ich mich recht gefreut habe.

(Pastor Bernhard Frank)













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